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Post-Reise-Depression: Die große Schwere nach der Reise
Katrin Gehring • Feb. 01, 2023

Post-Travel Blues

Statt am Ende einer Reise glücklich über das Erlebte nach Hause zu kommen, versinkst du in Melancholie und vielleicht sogar in Depressionen? Viele Reiserückkehrende berichten davon, sich in der Heimat fremd und von Freunden und Familie unverstanden zu fühlen. Auch mir ging es so. Der Post-Travel Blues hat uns erwischt. In diesem Beitrag sehen wir uns an, warum es zum Post-Travel Blues kommt und wie man die Symptome lindern kann.

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Mit dem Post-Travel Blues, oder auch Post-Reise-Depression, kann möglicherweise nicht jeder etwas anfangen, der diesen Artikel liest. Doch wenn du genau diesen Zustand schon einmal erlebt hast oder gerade mittendrin steckst, hoffe ich, dass du dich hier aufgehoben und verstanden fühlst.

Was ist ein Post-Travel Blues?

Bei einem Post-Travel Blues leiden Reiserückkehrende unter (schwerer) Melancholie bis hin zu Depressionen und fühlen sich in ihrem Heimatland fremd und allein. Was vorher ihren Alltag ausmachte, erscheint ihnen nun sinnlos und wird hinterfragt. Sie haben den Eindruck, nicht mehr in ihr altes Leben zu passen und bei den Mitmenschen anzuecken. Insgesamt führt es dazu, dass sich eine Orientierungslosigkeit einstellt und sie nichts mehr mit ihrem alten Leben anzufangen wissen. Der größte Wunsch besteht darin, wieder wegzufliegen, sich aufzumachen und weiter die Welt bzw. den letzten Ort zu erkunden.


Post-Reise-Depression ist kein wissenschaftlicher Begriff. Diese Definition ergibt sich, nachdem ich mir einige Berichte von Heimkehrern angesehen, aber auch selbst genau diese Erfahrungen gemacht habe. Viele Reiserückkehrende sind unerwartet von dem Blues betroffen, andere kommen gut mit der Zeit nach der Reise zurecht.

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Gründe für Post Travel Blues

Aber warum kommt es zum Post-Travel Blues? Warum fallen wir in ein Loch? Ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten und von dem, was ich auf anderen Blogs gelesen habe. Allerdings sind es dieselben Dinge, die zur Post-Reise-Depression zu führen scheinen.


Abschied und Trauer

Du nimmst Abschied von einer Zeit, die dich aus deinem Alltag geholt hat. Vielleicht hast du dir deinen Traum erfüllt. Hast Abenteuer erlebt. Warst frei von Stress und eine bessere Version von dir selbst. Du hast Land und Leute lieben gelernt und musst nun Abschied nehmen von dem, was einen Platz in deinem Herzen gefunden hat. Ob du wieder zurückkehren wirst, weißt du nicht.


Fremdes Heimatland

Zurück in deinem Heimatland fühlst du dich wie eine Fremde. Du siehst das, was dir vor der Reise vertraut war, mit anderen Augen. Vielleicht erlebst du einen umgekehrten Kulturschock: die Mentalität der eigenen Landsleute, der Überfluss, das Wetter, das Stadt- und Landschaftsbild – es fühlt sich fremd an.


Außerdem realisierst du, dass zu Hause alles beim Alten geblieben ist. Das Leben deiner Freunde und Familie ist ganz normal weitergegangen. Sie verstehen nicht, was mit dir los ist, was das Reisen mit dir gemacht hat. Häufig wird die Reise mit der Frage „Wie war's?“ abgehandelt. Deine Melancholie kann schwer nachvollzogen werden, schließlich hast du doch eine tolle Zeit gehabt.


Verändertes Ich

Während zu Hause die Dinge ihren üblichen Weg gingen, hat sich in dir viel geändert: deine Einstellung zum Leben, deine Persönlichkeit, deine Werte. Du hast Abenteuer erlebt und Erfahrungen gesammelt, die dir gezeigt haben, dass es in der Welt noch andere Lebensrealitäten gibt als die in Deutschland. Mit der Veränderung eckst du an, stellst Dinge nun in Frage und erntest mitunter Unverständnis. Aber war es nicht auch das, was du wolltest? Deine Grenzen überwinden, dich neu kennenlernen und deinen Horizont erweitern?


Freiheitsgefühl ade

Wenn ich auf Reisen bin, bin ich eine bessere Version von mir selbst. Vielleicht kennst du das? Ich weiß nicht, woran es liegt. Wahrscheinlich bin ich viel entspannter als zu Hause und die Abenteurerin kommt durch. Ich bin unterwegs frei von gesellschaftlichen Zwängen, Druck und Erwartungen.


Ich erkunde und entdecke, was ich im Alltag zu selten tue. Stattdessen dreht sich zu viel um Arbeit und die schnelle Erholung am Wochenende. Beides ist von den ständigen Fragen begleitet: „Soll das alles sein? Wie komme ich da raus?“ Unterwegs bin ich einfach und das tut gut.


Fernweh

Du läufst mit einem beständigen Fernweh herum. Alles in dir schreit: Was soll ich hier? Ich will wieder nach xyz! Du hörst den Ruf ferner und naher Länder und weißt, dass es dir wieder gutgehen würde, wenn du nur endlich losziehen kannst. Du willst die kribbelnde Vorfreude. Die neue Luft, wenn du aus dem Bahnhof- oder Flughafengebäude kommst. Du willst einfach wieder eine Reisende sein, denn unterwegs bist du zu Hause.

Unterwegs in Walmer Township in Gqeberha, Südafrika.

Was du bei Post-Travel Blues tun kannst: 6 Tipps

Das hier ist nur der schwache Versuch, die Symptome des Post-Travel Blues zu lindern. Vermutlich müssen du und ich da einfach durch und auf die nächste Reise warten.


1. Nächste Reise planen

Nicht jeder hat das Budget, die Zeit oder die Möglichkeit, sofort wieder loszuziehen. Wenn du es kannst: Go for it! Für mich war es das beste Mittel, allerdings war ich auch in einer Auszeit, womit die Ausgangslage perfekt war. Ansonsten kann es erst mal helfen, sich an ferne Orte zu denken. Sieh dir Videos im Internet an, lies dir Blogbeiträge durch, mach dir eine Liste mit Orten, die du noch sehen möchtest. Du kannst langfristig denken und auf deine nächste Reise „hinarbeiten“.


2. Deine Stadt und nähere Umgebung erkunden

Manchmal glaube ich, dass ich keinen Ort so schlecht kenne wie Köln. Wie geht es dir mit der Stadt, in der du lebst? Wenn du noch mitten im Post-Travel Blues steckst, versuch mal, deine Stadt mit neuen Augen zu sehen und spiele Touri – also so richtig mit Bimmelbahn, Hop-on/Hop-off-Bus oder einer gebuchten Tour. Im besten Fall lernst du andere Touristen kennen und bekommst ein kleines bisschen das Gefühl von Unterwegssein. Außerdem wirst du garantiert Dinge lernen, die du vorher nicht über deine Stadt wusstest.

Ich sitze in der Kölner Seilbahn und fahre damit über den Rhein.

3. Urlaubs-Playlist

Fast jeden Urlaub verbinde ich mit einem Lied. Und bestimmte Lieder geben mir einfach so Sommer- und Urlaubsvibes. Wenn ich diese Musik spiele, stellt sich meistens eine beschwingte Laune ein und die ein oder andere Erinnerung ploppt auf.


4. Dokumentationen gucken und Reiseberichte lesen

Nicht nur bei Durststrecken und Fernweh-Anfällen liebe ich es, Natur-, Tier- und Länderdokus zu schauen. In meinem Bücherregal haben sich außerdem im Laufe der letzten Jahre einige Reiseberichte angehäuft, die mich inspirieren und mit denen ich gedanklich mitreisen kann. Zugegeben: Natürlich bestärken beide den Wunsch, selbst auf Reisen zu gehen, aber für den Moment fühlt es sich zumindest für mich wie „ankommen“ an.


5. Fotos, Fotos, Fotos

Keine Reise ohne meine Kamera! Wenn ich nach einer Reise deprimiert zu Hause sitze, geht die Reise in gewisser Weise eine Zeit lang weiter, weil ich die Bilder bearbeite. Außerdem lasse ich sie ausdrucken oder mache Bilderbücher draus. So liegen die Bilder nicht nur auf dem PC, sondern sie bekommen für mich einen höheren Stellenwert, da ich die Erinnerungen in den Händen halte.


6. Durch Stadtteile mit hohem Migrationshintergrund laufen

Wenn alles nichts nützt, dann laufe ich manchmal durch die Kalker Hauptstraße und schnuppere Atmosphäre. In diesem Stadtteil leben viele Menschen mit Migrationshintergrund, die Einkaufsstraße ist davon geprägt. Hier reihen sich viele Einzelhändler aneinander, Obstläden, Fleischer, Spezialitäten, Bekleidungsgeschäfte. Auf gewisse Weise stillen die Eindrücke meine Sehnsüchte.

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Meine persönlichen Erfahrungen mit dem Post-Travel Blues

Das erste Mal begegnete mir der Post-Travel Blues 2017 nach einem fünftägigen Urlaub an der Algarve. Damals war ich reisemäßig noch grün hinter den Ohren. Aber es war der erste Urlaub, bei dem ich Blut geleckt habe, was das allein reisen als Frau betrifft.


Ich weiß noch, wie ich von der Bahnhaltestelle nach Hause lief. Es war Ende September, das Wetter grau. Nach den betörenden Farben an den Stränden Portugals und den milden Temperaturen empfand ich es grässlich und deprimierend. Ich wollte gleich wieder in die nächste Bahn steigen und zurück nach Portugal. In den folgenden Tagen war ich von einem Fernweh und einer Melancholie geplagt, die ich weder kannte noch erwartet hätte. Bisher empfand ich meine Urlaube nicht als sonderlich eindrucksvoll, aber das hier war anders. Es war der Startschuss für alle folgenden Reisen.

Eine Frau steht im Abendlicht am Holzgeländer an einer Klippe und genießt den Sonnenuntergang.

Besonders schlimm packte mich die Post-Reise-Depression nach meiner vierwöchigen Kenia Reise 2021. Vier Wochen lang war ich an meinen Sehnsuchtsorten, habe Eindrücke gesammelt, Menschen kennengelernt, ein übersprudelndes Herz gehabt und viele innere Hürden überwinden müssen.


Schon mehrere Tage vor meiner Rückreise wusste ich, dass ich noch nicht so weit war. Was soll ich in Deutschland, wenn ich hier endlich das Leben fühle? Und tatsächlich: Als der Flieger in Frankfurt landete, liefen mir die Tränen über die Wangen, denn die Reise war vorbei und Deutschland hatte mich wieder.


Wenn die Seele nicht mitkommt

Deutschland hatte mich zwar körperlich wieder, aber meine Seele war noch in Kenia. Mein Heimatland Deutschland schien mir so fremd, eigen und zugeknöpft. So viel Überfluss, aber so wenig Dankbarkeit und Bewusstsein dafür. So viele Probleme, die mir so klein erschienen. In Kenia würde man darüber lachen und sich direkt an die Lösung machen.


Ich war traurig, melancholisch und dauerhaft von Fernweh geplagt. Aber es nützte nichts, ich versuchte anzukommen. Zum Glück war ich in einer Auszeit und hatte noch anderthalb Monat frei. Mein Umfeld fragte: „Wie war es?“ Wo sollte ich anfangen? Wie sollte ich beschreiben, was diese Reise mit mir gemacht hat? Wollte mein Gegenüber es wirklich wissen? Denn schnell merkte ich, dass Kenia bald abgehandelt war, als Urlaub bezeichnet wurde oder andere Dinge aus meiner Auszeit spannender erschienen. Das nervte mich. Seht ihr nicht, dass ich Kenia hinterhertrauere?

Sundowner in der Amboseli Region mit Blick auf den Kilimandscharo.

Das Leben der anderen

Aber es ist logisch, dass das Leben hier in Deutschland normal weiterging. Ich kam verändert dorthin zurück, wovon ich bis vor vier Wochen auch ein Teil war. Und es jetzt nicht mehr sein wollte. Gedanklich noch ganz woanders wurde ich auf den neuesten Stand zu Arbeit, Haushalt, Geld, zwischenmenschlichen Problemen und Kindern gebracht. Während ich weg war, gab es in meiner Firma gravierende Veränderungen. Das hatte ich befürchtet, aber die Augen vor verschlossen.

Alles Dinge, für die ich noch nicht bereit war. Denn ich kämpfte jede Minute mit einem Post-Travel Blues.


Flucht nach Portugal

Für mich gab es nur eine Lösung: Ich musste wieder weg! Ein bisschen Zeit und Geld hatte ich noch. Also setzte ich mich an die Planung für Portugal. Die Algarve hatte mich schon einmal verzaubert. Die Wetteraussichten für Oktober / November waren verheißungsvoll. Wohlwissend, dass ich meinen Post-Travel Blues nur aufschieben würde, flog ich gen Süden. Das Glück kam zurück, ich bin eben eine Reisende! 

Am Strand von Lagos in Portugal, die Sonne geht langsam unter.

Als der Rückflug nahte, beschäftigten mich wie erwartet die gleichen Fragen wie vor meiner Rückreise aus Kenia: Soll ich meinen Aufenthalt verlängern? Was soll ich denn in Deutschland? Gleichzeitig rückte das Ende meiner Auszeit näher. Ich musste mich der Realität stellen. Ich flog zurück und gab mir zwei Wochen Zeit, um irgendwie einigermaßen den Post-Travel Blues zu überwinden bzw. irgendwie damit klarzukommen.


Geklappt hat es ehrlicherweise mehr schlecht als recht. Angeblich war mein erster Satz bei der Arbeit „Ich will gar nicht hier sein“. Wie wahr er aber doch war. Noch vier Monate quälte ich mich durch die Strukturen des Angestelltenverhältnisses. Ich kündigte, stolperte in einen neuen Job, der mir klar machte, was ich nicht wollte – nämlich angestellt sein. Ich gab alle Sicherheiten auf und machte mich selbstständig. Das hätte ich mich wohl nie getraut ohne das Loch, die große Unzufriedenheit und das, was ich während meiner Kenia Reise an Selbstbewusstsein dazugewonnen habe.

Über mich

Katrin in Portugal an der Algarve

Hey, ich bin Katrin, schön, dass du auf meinem kleinen Reiseblog gelandet bist. Ich bin leidenschaftlich gerne unterwegs, liebe es, neue Menschen und Orte kennenzulernen und immer wieder ein bisschen mehr von mir selbst. Der Blog richtet sich an alle, die gerne alleine reisen oder es einfach mal ausprobieren wollen. Ich wünsche dir viel Spaß beim Stöbern.


Das findest du auf meinem Blog

  • Meine Erfahrungen als Alleinreisenden
  • Inspiration & Ideen
  • Nützliche Tipps
  • Authentische Empfehlungen

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